Als richtiger Festivalneuling wusste ich nicht so recht, was mich erwarten wird. Werde ich die fünf Tage überleben oder schon nach zwei Tagen sagen „Danke, aber nein danke!“
Rock am Ring stand schon seit der Jugend auf meiner persönlichen To-do-Liste, doch entweder hatte ich über die Jahre zu wenig Geld, um mir ein Ticket leisten zu können, oder es kamen einfach wichtigere Termine dazwischen. Als dann im November klar war, dass dieses Jahr nichts dazwischenkommen wird und wir endlich den Punkt von unserer Liste streichen können, bestellten wir die Tickets.
Es stand sofort fest, dass wir mit einer eingesessenen Festivaltruppe fahren werden, die außerdem gute Freunde und Arbeitskollegen von meinem Mann sind. Dies würde ich eh jedem Festivalanfänger raten, denn Leute mit Erfahrung wissen, wie der Hase läuft!
Natürlich kamen von allen Seiten Tipps und Erfahrungen wie: „Nimm bloß nicht zu viel mit“, „Du kannst doch nicht deine neuen Schuhe mitnehmen, die musst du erst einlaufen!“, „Duschen ist dort nicht!“, „Es wird 24/7 nur gegrillt!“
Diese ganzen Aussagen haben einen natürlich ein wenig mulmig gestimmt und mein Packverhalten definitiv beeinflusst. Nur zwei Jeans, drei Jacken, vier T-Shirts usw. Außerdem jede Menge Trockenshampoo und Frisurenideen, die ich mir bereits im Vorhinein überlegt hatte.
Dann kam der Tag der Tage und ich wurde sofort eines Besseren belehrt, denn: „Mehr ist mehr und viel ist niemals zu viel!“ Wenn du Lust hast, alles mitzunehmen, dann mach dies auch! Die einzige Bedingung? Du musst es zum Zeltplatz bekommen. Gott sei Dank hatte ich mir in weiser Voraussicht noch ein paar Klamotten ins Auto gelegt, da ich ebenfalls den Tipp bekam, zur Sicherheit dort ein paar Sachen zu deponieren, falls der Himmel aufbrechen und es in Strömen regnen sollte.
Da das Wetter in der Eifel besonders schnell umschlagen kann und in gewisser Hinsicht unberechenbar ist, war ich gut ausgerüstet. Regenjacke und Gummistiefel sowie Flipflops und Sommerkleidchen. Die beste Entscheidung, die ich aber treffen konnte, war, mir noch am Montag vor dem Festival Dr. Martens bei Galeria Kaufhof zu besorgen. Diese hielten alles aus und waren durch das weiche Leder unglaublich bequem. Kein schlammiger Untergrund oder kurzer Regenschauer konnten mir etwas anhaben. Eine absolute Empfehlung!
Genauso wie der dünne Parka von Vince Camuto, welcher so gut wie jeden Tag zum Einsatz kam. Er war für die warmen Temperaturen perfekt, da man die Ärmel hochkrempeln und zur Not eine Kapuze aus dem Kragen holen konnte. Tagsüber ein dünnes Kleid drunter und abends eine Jeans, ein Allrounder sozusagen, der ebenfalls auf jeder Festivalpackliste stehen sollte. Ebenso wie eine Sonnenbrille! Denn diese ist nicht nur bei gutem Wetter dein bester Freund, sondern auch wenn man morgens nach 3 Stunden Schlaf aus dem Zelt kriecht, weil die ganze Nacht Dauerbeschallung herrschte.
Das Wetter war einfach bombastisch, bis Samstag hatten wir durchgehend Sonne und 25 bis 27 Grad. Samstagabend und die ganze Nacht regnete es zwar ein bisschen, doch dank eines super Zelts haben wir davon kaum etwas mitbekommen.
Wovon wir allerdings etwas mitbekommen haben, war, dass auch Rock am Ring nicht von der Angst vor dem Terror befreit geblieben ist. Freitagabend, als alle voller Vorfreude das Festivalgelände stürmten und den ersten Bands zujubelten, betraten die Veranstalter die Hauptbühne. Mitten im Konzert der Broilers verkündeten sie, dass das Festival an dieser Stelle aufgrund einer ernstzunehmenden Terrorwarnung unterbrochen werden müsse. Es sollten sich alle zu den Zelten und Autos begeben und dort auf weitere Infos warten.
Dies war ein wirklich harter Schlag, denn Materia sowie einer der absoluten Hauptacts Rammstein vielen damit aus. Man hätte erwartet, dass nun alle wütend und voller Angst das Gelände in Panik verlassen würden. Doch falsch getippt! Man traf auf Sprechchöre und Menschen, die sich ohne jegliche Angst an den Händen hielten. Das Gelände konnte ruhig geräumt werden. Hubschrauber kreisten die halbe Nacht noch über dem Gelände und alle fragten sich, wie und ob es überhaupt am nächsten Tag weitergehen würde.
Wir ließen uns aber die Stimmung nicht vermiesen und schmissen mit allen anderen Zelten eine gemeinsame Party in der Nacht, welche mir aufgrund der unheimlich lustigen und freundlichen Menschen wohl immer im Gedächtnis bleiben wird.
Um kurz vor 11 Uhr am Samstagmorgen kam dann die Erlösung, es ging weiter!
Die Konzerte fanden wie geplant statt und die Broilers sowie Materia holten in einem knackigen 60-Minuten-Auftritt das Wichtigste nach. Denn keiner kann uns die Lust am Feiern und vor allem die Freiheit nehmen! Ein harter Schlag für viele war es, dass Rammstein nicht zum Ring zurückkehrte, doch die Hauptsache war, DASS es weiterging.
Also feierten wir bei den Klängen von Simple Plan, Rag´n Boneman, den Broilers, Beatsteaks sowie den Beginnern den Festivalsamstag.
Der für mich aber schönste Festivaltag war definitiv der Sonntag! Materia holte seinen Gig nach und riss damit alle mit! Er ist damit nun auch offiziell der erste und bis jetzt einzige Künstler, der bei Rock am Ring und Rock im Park am selben Tag aufgetreten ist. Allein dafür ein dickes Kompliment!
Dann ging es zu AnnenMayKantereit – der Liedsänger Hennig hat einfach eine der atemberaubendsten Stimmen, die ich je gehört habe. Ebenfalls eine absolute Empfehlung. Der krönende Abschluss war dann Macklemore, welcher das Publikum mitriss wie kein anderer an den drei Tagen vor ihm!
Die fünf Tage waren der Wahnsinn und einfach eines der schönsten Erlebnisse überhaupt. Ich kann jedem nur empfehlen, sowas zumindest einmal in seinem Leben mitgemacht zu haben. Diese Erfahrung kann mir keiner mehr nehmen und ich muss zugeben, dass ich wirklich Lust daran gefunden habe. Lust an der Atmosphäre, den Menschen und allem, was dazu gehört.
Rock am Ring, ich komme definitiv wieder!
Liebste Grüße
Eure Jennifer von Jestil